Ritalin und Gehirn
Eine in der Fachzeitschrift Radiology veröffentlichte Studie zeigt, dass Ritalin bei männlichen Kindern und Jugendlichen die Hirnstruktur verändert. In diesem Alter finden wichtige Prozesse in der Entwicklung des Gehirns statt. Daher steht nun eine ernste Frage im Raum: Stört Methylphenidat die Gehirnentwicklung? Und wenn ja: ist das langfristig schädlich, oder sind die Veränderungen harmlos?
Untersuchungen an Ratten und Menschen
Seit langem ist Methylphenidat (Ritalin etc.) bei ADHS eines der am häufigsten verordneten Medikamente. Bei vielen Patienten (je nach Studie 60 bis 80 Prozent) zeigt es gute Wirkung. Sie können sich besser konzentrieren und lassen sich nicht mehr so leicht ablenken. Das erleichtert zum Beispiel den betroffenen Schülern die Teilnahme am Unterricht. Oft wächst sich ADHS mit der Pubertät aus. Wenn das nicht geschieht, ist eine weitere Behandlung möglich.
Der Wirkstoff war jedoch von Anfang an umstritten. Forscher wie Liesbeth Reneman vom Academisch Medisch Centrum (AMC) in Amsterdam äußerten schon früh Bedenken in Hinblick auf die Gehirnentwicklung. Renemann zeigte im Jahr 2014, dass das Medikament bei jungen Ratten die Verbindungsstelle der beiden Gehirnhälften verändert. Bei adulten Tieren zeigten sich diese Effekte jedoch nicht.
Verändert oder stört Methylphenidat die Gehirnentwicklung auch beim Menschen? Um das zu erforschen, führte Reneman eine Studie mit 99 männlichen ADHS-Patienten durch, die zuvor noch nie mit diesem Wirkstoff behandelt worden waren. Die Teilnehmer – 50 Jungen (10 bis 12 Jahre) und 49 erwachsene Männer (23 bis 40 Jahre) – erhielten über einen Zeitraum von 16 Wochen entweder Methylphenidat (in der Folge mit MPH abgekürzt) oder ein Placebo.
Die Analyse der weißen Hirnsubstanz zeigte in der jugendlichen MPH-Gruppe eine deutliche Veränderung an Leitungsbahnen, die verschiedene Regionen des Gehirns miteinander verbinden. In der Placebogruppe und bei den erwachsenen MPH-Patienten trat dieser Effekt nicht auf.
Stört Methylphenidat die Gehirnentwicklung langfristig?
Ob und wie lange die in der Studie gezeigten Veränderungen nach dem Ende der Behandlung anhalten und wie sich das Medikament auf weibliche Patienten auswirkt, zeigt die Studie nicht. Außerdem bleibt offen, ob diese Effekte die Entwicklung des Gehirns in einem Ausmaß stören, das auf lange Sicht schädlicher ist als die Auswirkungen von ADHS. Zukünftige Forschungen auf diesem Gebiet könnten zur Entwicklung neuer Wirkstoffe beitragen oder zu einer Anpassung der Leitlinien für die Behandlung von ADHS führen. All jene Schüler und Studenten, die nur deshalb bei ihren Freunden Ritalin kaufen, weil sie damit ihre Klausuren verbessern wollen, sei jedoch zu erhöhter Vorsicht geraten.
Quelle